"Karpaten Rundschau" an I, no. 3 / 15.03.1968, pg. 13 Wo Tarzan das Licht der Welt erblickte ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ · Freidorfer heute noch stolz auf ihren berühmten Landsmann · Als erster 100 Meter unter einer Minute geschwommen · Vom vierfachen Olympiasieger zum gefeierten Hollywood-Star Meine Grossmutter ist äusserst selten und auch dann nur am Sonntag ins Kino gegangen. Als jedoch seinerzeit in Temesvar der erste Tarzan-Film rollte, ging sie -was bis dahin und auch nachher nie vorgekommen ist- sogar werktags ins "Tivoli". Die Erklärung: Sie war Freidorferin, und der "Dschungel-König" Jonny[sic!] Weissmüller eben ihr Landsmann. Gleich nach dem zweiten Weltkrieg, als von neuem Tarzans gruselige Abenteur mit Riesenschlangen, Krokodilen, Affen oder Elefanten (wirklich atemberaubend waren auch die wildkatzenartigen Sprünge mittels armdicken Schlingpflanzen sowie die gefahrvollen Unterwasseraufnahmen, die übrigens zu den ersten in der Filmgeschichte gezählt werden können) die Kinobesucher zwei Stunden lang buchstäblich in Bann hielten erinnerte sich meine Grossmutter: "Ma, a mir sein jo friher geloff wan d´r Weissmiller g´spilt hot. Er is halt a Kind aus unsrem Dorf. Nor gut das em nie was passiert is. Wie g´schwind hät er kenne rune falle um sich´s G´nak absterze, wan er so an dene dicke Urwaldpflanze wie an am Strick g´hong hat. Ich hob immer an sei Motter und sei Vater denke misse. Die hun sicher a vil Angst ausg´stan." Aus diesen in echt Freidorfer Mundart gesprochenen Worten, klingt zweifelsohne Bewunderung und Stolz. Doch nicht nur meine Grossmutter und ihre Generation hatten für unseren berühmten Landsmann viel übrig. Die Freidorfer, die inzwischen Städter geworden sind, da das einstige Dorf längst als Stadtrandviertel zu Temesvar gehört, sind es auch heute noch. Fast so stolz wie auf die Tatsache, dass es bald 250 Jahre seit der Gründung der Gemeinde sein werden. Ein Dreikäschoch, den ich auf der Strasse anhielt und fragte ob er weiss wer der Jonny Weissmüller sei, antwortete mir mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen: "Weiss doch schon jedes Kind, dass der Tarzan einer der Unseren ist!" Noch vor wenigen Monaten war es allerdings nicht so selbstverständlich, dass der "Dschungel- -König" ein Freidorfer ist, da viele es bezweifelten, über Nacht alle möglichen Gerüchte über sein Geburtsjahr und seine Herkunft in Umlauf kamen. Wieder entbrannt ist die Diskussion in der Zeit als unser Fernsehen in der Kindersendung die Reihe "Tarzans-Abenteuer" brachte. Sein Ruhm war eben noch verblasst; Jonny Weissmüller war schliesslich der Berühmteste unter den 30 Schauspielern, die sich als Tarzan versucht hatten. Neugierig ob all das, was ich über Tarzan aus meiner Kindheit wusste stimmt oder nicht stimmt, begarr ich im vergangenen Jahr seiner "Fährte" nachzuspüren. Es war übrigens gar nicht so kompliziert. In Freidorf lebt sein Vetter Jakob Weissmüller und dessen Schwester, sowie zwei sehr alte Männer, die in ihrer Jugend in Amerika waren und bei den Tarzan-Eltern ein und ausgegangen sind. Von einem der Rentner erfuhr ich, dass der kleine Jonny schon als 10jähriger ein auffallend guter Turner war. Einmal soll er es zum grössten Schreck seiner Eltern sogar fertiggebracht haben, über den gedeckten Mittagstisch zu springen, was ihm natürlich weniger Ruhm als vielmehr Tadel eingebracht hat. Geboren ist er in Freidorf am 2. Juni 1904. Ich sah es schwarz auf weiss in den Matrikeln der örtlichen Pfarrei. "Als Sohn des Tagelöhners Peter Weissmüller und der Elisabeth, geborene Kersch", ein Name, der in Freidorf auch heute noch sehr verbreitet ist. Allerdings hiess er noch nicht Jonny, sondern dem damaligen Brauch entsprechend Janos, während seine Eltern ihn zeit ihres Lebens Hansi genannt haben sollen. Über die Eltern des vierfachen Olympiasiegers und Hollywood-Stars erzählte mir Tarzan-Cousin Jakob Weissmüller: "Mein Vater waren ihrer vier Geschwister und alle vier waren hier in Freidorf Ziegeleiarbeiter. Die Familie war aus der Heide, aus Warjasch, in die Stadtnähe gezogen. Wie das vor dem ersten Weltkrieg in den Banater Kleinhäuslerfamilien eben üblich war, ging für gewöhnlich der Älteste in die weite Welt um Arbeit zu suchen. So fuhr mein Onkel Peter samt Frau und dem kleinen Hans, dem späteren Jonny, über den grossen Teich. Mein Vetter zählte drei Lenze. Ich war noch nicht auf der Welt." Zum erstenmal von sich reden gemacht hat Jonny Weissmüller im Jahre 1924 bei den Olympischen Spielen in Paris und seit damals ist der Name des Freidorfer Kleinhäuslersohns in jeder Geschichte der Olympischen Spiele mit fetten Wörtern vermerkt. Der zwanzigjährige Hüne, dessen wie in Marmor gehauene Gestalt später die Hollywood-Manager das grosse Geschäft wittern liess, erschwamm sich drei Goldmedaillen (100 Meter, 400 Meter und 4x200 Meter) und legte dabei als erster Mann in der Welt die 100 Meter unter einer Minute (59 Sek.) zurück. Vor nicht zu langer Zeit ist bereits eine Frau diese Strecke unter einer Minute geschwommen. Für die damalige Zeit aber war es eine regelrechte Weltsensation. Gleichzeitig spielte der begabte Sportler in der Wasserballmannschaft der USA, die Bronzemedaillen-Gewinner war. 1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam: Jonny Weissmüller bleibt der schnellste Schwimmer der Welt! Er legte die 100 Meter nochmals in Rekordzeit zurück und war damit einer der ersten, die bei zwei Olympiaden Gold in Empfang nehmen konnten! Bald gingen die ersten Tarzan-Filme über die Leinwand und der im Temesvarer Stadtrandviertel Freidorf geborene Olympiasieger war gefeierter Filmstar. Seine Popularität ist auch heute noch nicht verblasst. Die erwähnte Reihe unseres Fernsehens hat es von neuem bestätigt, obwohl wir es diesmal mit dem gealterten Tarzan der an jugendlicher Kraft schon viel eingebüsst hat, zu tun hatten. Aber wie seinerzeit während den berühmten Dschungelstreifzügen setzte er sich auch diesmal immer wieder für das Gute ein und auch seine Liebe für Tiere ist nicht verblasst. Dafür ein Argument: Tamba! NIKOLAUS BERWANGER My Comment: Berwanger wrote the English first name badly [Jonny instead of Johnny].